„Mit vertrauten Bildern brechen“ – Kurzportrait der PSF-Vorsitzenden Karin Fischer
Was ich bislang über Frau Fischer wusste, hatte ich der Homepage des PSF im Internet entnommen. Ich wollte sie einmal persönlich kennenlernen, und so verabredete ich mich mit ihr zu einem Interview für die neue Fachzeitschrift. Karin Fischer ist 60 Jahre alt, lebt in Köln und ist Mutter von drei erwachsenen Kindern. Beruflich ist sie als Beraterin und Ärztin bei Pro Familia angestellt und arbeitet ehrenamtlich seit etwa 15 Jahren im Vorstand des Psychosozialen Forums.
Karin Fischer
Ich frage sie zunächst nach ihrem beruflichen Werdegang. Nach dem Studium, so Frau Fischer, habe sie sehr bald gemerkt, dass das Leben einer Ärztin im Krankenhaus nicht das ist, was sie sich unter diesem Beruf vorgestellt hatte. Da war vor allem die Art der Patientenbetreuung, welche unter dem vorherrschenden Zeitdruck alles andere als eine echte Betreuung darstellt. Was ihr außerdem schon im Studium nicht so gut gefallen habe ist, dass die Medizin zu sehr Erfahrungswissenschaft im einfachen Sinne ist: Viel zu vieles musste auswendig gelernt werden, ohne dass man die Zusammenhänge hätte ableiten können.
Anders liegen für Frau Fischer die Dinge da z.B. in der Physik, für die sie sich seit ihrem Studium sehr interessiert. Hier werden die einzelnen Erkenntnisse immer abgeleitet. Besonders fasziniert ist sie davon, wie oft uns die Physik zwingt, mit den vertrauten Bildern zu brechen und neue, überraschende Bilder bei der Beschreibung ihrer Zusammenhänge auszuprobieren. Wir müssen uns schon etwas einfallen lassen, wenn wir z.B. ein passendes Bild dafür suchen, dass ein Teilchen, wie in der Quantenphysik gefordert, zugleich Körper und Welle sein kann.
Nach Abschluss ihrer medizinischen Ausbildung gab es zunächst einmal für Frau Fischer wegen Familiengründung eine Pause.
Die Dinge kommen lassen
Zehn Jahre lang war Frau Fischer nicht im Beruf und widmete sich ihrer Familie und den Kindern, von denen eines heute in Australien lebt. Erst danach begann sie sich wieder ihrem Beruf zuzuwenden. Seit 1978 arbeitet sie als Ärztin bei der Pro Familia in Köln im Bereich Schwangerschafts-konfliktberatung sowie Partner– und Sexualberatung. Hier wurde auch ihr Wunsch für eine psychologische Weiterbildung geweckt, die ihr die Möglichkeit verschaffen würde, ihre psychologische Beratungstätigkeit kompetenter ausüben zu können.
Die erste Ausbildung, die sie ansteuerte, war eine verhaltenstherapeutisch orientierte Sexualtherapie. Sehr bald jedoch zeigten sich ihr die Schwächen einer nach Mustern und Schemata ausgerichteten Behandlungsmethode. Von daher suchte sie bald schon nach einer Alternative, die Frau Fischer in der Gesprächspsychotherapie nach C. Rogers zu finden glaubte. Aber auch hier wurde sie nicht glücklich. Zu wenig strukturiert war ihr die Art der angebotenen Methode. Erst im dritten Anlauf wurde sie im Rahmen einer psychoanalytisch ausgerichteten Ausbildung fündig. Hier fand sie nicht nur einen zufriedenstellenden theoretischen Unterbau dafür, mit den Klienten angemessen umgehen zu können, sondern gewann auch etwas Wichtiges für ihre Haltung im Beratungsgeschehen, nämlich die Fähigkeit, die „Dinge kommen zu lassen“ statt ununterbrochen auf „gute Ergebnisse“ abzuzielen. Später hat sie, diese Erfahrungen erweiternd, noch eine zweijährige systemische Ausbildung angeschlossen.
Über die Analyse von Märchen lernte sie die Bildanalytik kennen
Frau Fischer erinnert sich daran, dass es ein Gespräch über Märchen war, das ihr besonderes Interesse an der bildanalytischen Psychologie geweckt und sie mit den Aktiven des Psychosozialen Forums in Kontakt gebracht hatte. Sie war von der Art und Weise des psychologischen Umgangs mit den Märchen fasziniert und fand eine Art des Denkens vor, die von ihr als neu und zugleich vertraut empfunden wurde. Von da an gab es einen intensiven Austausch über diese und verwandte Dinge in kleineren privaten
Zirkeln. Und schließlich ist dann Herr Mikus mit der Frage an sie herangetreten, ob sie nicht vielleicht den Vorsitz in dem neu zu gründenden Psychosozialen Forum übernehmen wolle.
Besondere Leidenschaften
Als ich sie nach Hobbys und besonderen Leidenschaften frage, erfahre ich zunächst etwas über ihre Beziehung zur Musik. Sie erzählt, dass sie eine lange Zeit die Musik von vielen verschiedenen Völkern aufgenommen und archiviert habe, aus reiner Neugier. Auch heute hört sie sich noch gerne in die eine oder andere Musikwelt hinein, wie z.B. in die der Aborigines oder Eskimos. Besonders intensiv hat sich Frau Fischer auch mit dem Weltbild des Buddhismus beschäftigt. Es gefällt ihr daran, wie die Selbstverantwortung betont wird und dass die Ich-Zentriertheit sowie die Fixierung auf die eigene Gefühlswelt vom Buddhismus versucht wird aufzulösen. Ein Thema, bei dem für sie auch wieder die Bildanalytik mit ihrem perspek-tivischem Denken ins Spiel kommt.
Zum Schluss sprechen wir noch über ihre Arbeit im Rahmen der Schwangerschaftskonfliktberatung bei Pro Familia. Frau Fischer erzählt von den unterschiedlichen Klientinnen, die zu ihr kommen. Für einige Frauen ist es von vornherein klar, dass sie das Kind nicht haben wollen. Anders ist es, wenn die Frauen sich unklar sind. Hier muss die Beratung das eigentliche Wollen herausarbeiten und herausfinden, was zu der Klientin wirklich passt. Das ist keine leichte Aufgabe, denn gleichgültig, warum eine Frau in eine Schwangerschaftsberatung kommt: es bleiben ihr und der Therapeutin nicht viel Zeit, herauszufinden, was im konkreten Falle sinnvoll zu tun ist.
Als wir an diesem Punkt das Interview beenden, habe ich den Eindruck, dass Frau Fischer eine besondere Leidenschaft für das Neue, Noch-nicht-gesehene mit den damit verbundenen Herausforderungen für das eigene Denken hat: Ihr Interesse für das Umdenken vertrauter Verhältnisse in der Physik, ihr besonderer Zugang zu den unterschiedlichen kulturellen Welten durch die Musik, ihre eigene Orientierung nach einer strukturierten, das Seelische aber nicht in ein Schema pressenden Methode, und nicht zuletzt ihre Faszination daran, die komplexen Zusammenhänge des Seelischen sich über die Gleichnisse von Märchen verstehbar zu machen – alles das bringt sie in eine besondere Verbindung, wie ich denke, mit unserer gemeinsamen Leidenschaft für eine bildanalytische und entwicklungsorientierte Psychologie.
Bildquellen
- Gesicht: Karin Fischer