Wenn die Therapie mit Abbruch endet – Zu Struktur und Bedeutung von Therapieabbrüchen

Wenn die Therapie mit Abbruch endet – Zu Struktur und Bedeutung von Therapieabbrüchen

Abbrüche beunruhigen

Es gibt Therapien, die einseitig vom Klienten beendet werden. Der Abbruch geschieht meist ohne erkennbaren Grund und bezieht den Therapeuten nicht mit in die Entscheidung ein. Eine solche Therapie ist enttäuschend für den Therapeuten. Ihm sind die Hände gebunden, er hat von nun an keine Möglichkeit mehr in die seelischen Bewegungen und Verarbeitungen des Klienten therapeutisch „einzugreifen“. Es liegt nahe, in solchen Fällen einen Fehler in der Behandlung zu suchen oder von einem Fehlen der notwendigen Voraussetzungen auf Seiten des Klienten auszugehen. Wenn man aber in der Beurteilung dieser unliebsamen Abbrüche sofort von einem Fehler ausgeht oder von einem Fehlen von Voraussetzungen, macht man sich die Sache, wie ich meine, etwas zu leicht: Wir kürzen damit etwas ab. Wir müssen uns vielmehr fragen, ob unser aktuelles Verständnis vom Funktionieren einer Therapie zur Klärung eines Abbruchgeschehens bereits ausreicht oder vertieft und weiterentwickelt werden muss. Das Fehlersuchen zielt im Grunde auf eine schnelle Beruhigung. Die Beruhigung funktioniert nach der Formel: Wir bestimmen den Fehler und dann können wir in der Zukunft die unliebsamen Abbrüche auch vermeiden. Nach dieser Formel glauben wir uns vor der Enttäuschung eines Therapieabbruchs – prinzipiell jedenfalls – bewahren zu können.

Der Therapieabschluss allgemein

Die Psychotherapieforschung der bildanalytischen Psychologie gibt den Abschlüssen in der Therapie eine besondere Bedeutung. In der individuellen Form des Endes einer Psycho- oder Entwicklungstherapie soll das lebensbestimmende Muster eines Falles ausdrücklich aufgefunden und in einer besonderen Form reflektiert und gewürdigt werden. Dass ein solches Finden möglich ist, ist leicht anzunehmen – drückt sich doch bei genauem Hinsehen die seelische Struktur des Falles in allen Ereignissen des Therapieverlaufes aus. Man könnte es eine Spiegelung nennen, welche die strukturellen Verhältnisse des Falles im Geschehen des Therapieverlaufs zum Ausdruck bringt. Von einer solchen Spiegelungs- oder Übertragungsmöglichkeit gehen wir aus, wenn wir die Therapie als eine Bühne verstehen auf der sich das persönliche Lebensmuster eines Falles (im verkleinerten Maßstab natürlich) zur „Aufführung“ bringen kann. Allerdings ist für das Funktionieren einer Psychotherapie das Wissen um eine allgemeine und durchgängige Spiegelung nicht ausreichend. Die Form des Therapieendes soll im Folgenden eine besondere Beachtung finden. Das wird möglich, wenn wir versuchen, das lebensbestimmende Muster des Falles (so wie es für die Therapie bereits explizit an anderer Stelle herausgearbeitet wurde) mit der besonderen Gestalt des Abschlusses in Übereinstimmung zu bringen. In diesem Falle wird etwas Neues möglich: Die zu einem früheren Zeitpunkt in der Therapie gemachte Strukturerfahrung mitsamt ihren neu entdeckten Seiten (Veränderungsspielräume), wird in einer solchen Übersetzung nämlich bestätigt – ausdrücklich und an exponierter Stelle. Man könnte auch sagen, es findet eine Art „Beglaubigung“ statt. Und das geschieht, wie gesagt, an exponierter Stelle (am Ende der Therapie) und damit passend für einen Übergang in einen neuen Abschnitt hinein. Nach bildanalytischer Auffassung gehört zu einer Veränderungserfahrung, die in jeder Therapie stattfinden sollte, eine solche Bestätigung (Beglaubigung) (Mikus 2012). Anhand einer Fallstudie, die ich im Weiteren vorstellen möchte, kann man sich eine Vorstellung davon machen, wie eine solche Bestätigung durch die Gestalt eines Therapieabschlusses aussehen kann, auch wenn es in dem Beispiel um den Sonderfall „Abbruch“ geht.

Im Falle des Therapieabbruches ist die oben genannte Reflexion und Beglaubigung nicht möglich. Das wiederzufindende, besondere Problem oder Muster des Falles ist im Therapieverlauf wahrscheinlich noch gar nicht selbst auf die Bühne gebracht worden – so jedenfalls lautet meine Hypothese. Darüber hinaus geht durch den Abbruch auch der notwendige Spielraum verloren, auf die latent vorhandenen Möglichkeiten, die das Muster enthält, einzugehen – ist doch die „schützende“ therapeutische Rahmung verlassen worden.


Bildquellen

  • Computergrafik: Karin Fischer