Zur Frage nach den Anfängen des Seelischen

Zur Frage nach den Anfängen des Seelischen

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Die seelischen Anfänge als ein Gleichnis genommen

Aus der bildanalytischen Sicht können wir uns mit den gewonnenen Erkenntnissen zu den ganz frühen seelischen Formen und mit der bis dahin von uns ins Bild gebrachten Eigenart der seelischen Anfänge noch nicht so ganz zufrieden geben. Wir müssen vielmehr noch versuchen, die besagten Verhältnisse als ein Gleichnis zu sehen: Seelische Anfänge finden wir nämlich in vielerlei Zusammenhängen vor, so z.B., wenn wir Kontakt zu jemandem aufnehmen, eine Reise antreten oder auch wenn wir uns verlieben. Das bildanalytische Denken geht nun davon aus, dass wir die beobachteten strukturellen Besonderheiten von der konkreten Erfahrung – am Fötus z.B. – übertragen können auf äußerlich jedenfalls davon ganz verschieden geartete Zusammenhänge. Vielleicht sollten wir uns das zum Abschluss noch an einem Beispiel verdeutlichen.
Wie ist es denn, wenn sich zwei verlieben? Auch hier passiert etwas, das wie ein sich selbst genießendes Zusammenspiel beschrieben sein will. Bei frisch Verliebten kann man es regelrecht spüren, dass die Chemie stimmt. Irgend etwas Verbindendes geschieht, was den Umgang miteinander trägt und etwas Entwicklungsträchtiges hat. Es liegt gleichsam in der Luft, dass sich etwas entwickeln will. Wenn einer der beiden Verliebten jetzt zu früh versuchen würde, die Beziehung „in trockene Tücher“ zu bringen und auf Sicherheiten und feste Zusagen drängt, gut begründet damit, dass ein Liebesverhältnis doch auch die Zuverlässigkeit und das Bekenntnis braucht, würde er der Weiterentwicklung der Liebesbeziehung wahrscheinlich schaden: Die sich entwickelnde Liebe braucht zunächst etwas anderes. Sie muss im Sinne eines „Sich-selbstgeniessenden Zusammenspiels“ erst einmal sich selbst ganz stark spüren und immer wieder zu spüren bekommen, bevor dann die Logik der reiferen Formen wieder einen größeren Raum einnehmen darf.


Bildquellen

  • Wellen: Karin Fischer