Plädoyer für einen Entwicklungstherapeutischen Fachverband
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Haltung und Konsequenzen
Wenn sich unsere Realität in Gleichnissen und Bildern organisiert, dann macht es nicht mehr so viel Sinn, nach einer Wirklichkeit im Sinne eines Systems zu suchen, welche vor allem Ursachenketten und kausale Wahrheiten für uns hat. Die Wirklichkeit ordnet sich uns dann nicht mehr wie in einer Hierarchie von konkreten und nur als äußerlich gedachten Dingen ausgehend bis zu den in der Tiefe liegenden ursächlichen und wahren Dingen hin. Die Neigung zu einer solchermaßen festen und durchorganisierten Welt passt vielleicht zu einer heil-kundlichen Haltung, nicht aber zu der eines entwicklungsorientierten Beraters oder Therapeuten. Dies wäre eine feste Welt, in der ständig etwas kaputt geht und wieder heilgemacht werden kann.
Neigen wir aber mehr zu einem Verständnis von Welt, die sich in Bildern und Gleichnissen organisiert, dann wirkt der Pathos eines Arztes eher etwas befremdend für uns, nicht im negativen Sinne, vielmehr wie etwas, was von einer ganz anderen Art und Haltung als die der unseren ist.
Die entwicklungsorientierte Psycho-therapie und Analytik hatte ihren berufspolitischen Blick bisher recht einseitig auf den Bereich der Medizin gerichtet und auf die dort bereits eingerichteten Formen der Interessenvertretung. Im Sinne einer ergänzenden Partnerschaft dürfte ein entsprechendes Miteinander-Umgehen natürlich nicht hoch genug eingeschätzt werden. Es besteht aber auch eine große Gefahr dabei: Mit der Anlehnung an die im heilkundlichen Bereich bestehenden Formen von Organisation und Interessenvertretung kann nämlich auch die Entwicklung des Eigenen versäumt werden: Die nachhaltige Vertretung eines Typus‘ psychotherapeutischer Arbeit, dem es ausdrücklich um die Qualität der Entwicklung geht, verlangt eine eigene organisatorische Form und Interessenvertretung. Ich glaube, und da spreche ich wohl für alle im Psychosozialen Forum mit, dass der „Entwicklungstherapeut“ in diesem Sinne, egal aus welcher psychotherapeutischen Schule er kommt, erst einmal noch seine eigene Interessenvertretung herstellen muss – auch wenn er im konkreten Falle schon recht gut etabliert sein sollte. Er muss eine Art schulenübergreifendes Bündnis herstellen mit all‘ denjenigen, für die diese Orientierung das Verbindende ist! Dieses Bündnis soll außerdem unabhängig davon sein, ob die jeweiligen Mitglieder nun gleichzeitig auch die Erlaubnis zu einer Mitarbeit innerhalb der Heilkunde haben (Approbation) oder nicht, und in wieweit die Betreffenden in diesem Falle davon Gebrauch machen.
Bildquellen
- stress-624220_1920: Steve Buissinne