Bildanalytisches Denken

Bildanalytisches Denken

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Dem Stoff wird dabei sogar eine gewisse Referenz erwiesen, er muß sich nicht irgendwelche Prozeduren gefallen lassen, die an sein Wesen rühren; stattdessen kann er sich sogar eines gewissen Raumes sicher sein, in dem er sich noch einmal, in der ihm eigenen Weise – aber doch auch schon auf den bevorstehenden „Verzehr“ bezogen – entfalten kann.

Konkret: er duftet, – oder übersetzt: eine Sache, mit der wir uns gerade befassen, kann einen gewissen Charme haben, den wir erst einmal so duften bzw. auf uns wirken lassen.

Ein kurzer Blick zurück: Mit den Streitenden am Anfang hatte ich ein Beipiel dafür gewählt, wie sich das Seelische einer Beziehung in einem Gleichnis bemerkbar macht. Seelisches im Bild einer Beziehung zwischen zwei Menschen zu sehen,

das ist uns nicht ganz so unvertraut. Mit dem Beispiel eines Vortrags wurde es aber schon ein Stückchen befremdlicher. Seelisches erschien uns dabei gleichsam quer zu den gewohnten Einteilungen zu verlaufen und dabei Menschen und Sachen in einem zu verbinden. Mit der Tasse versuchen wir nun auch an den leblosen Dingen unseren neuen Begriff von Psyche zu erproben.

Prüfen wir jetzt einmal, ob das Gleichnis der Tasse uns helfen kann, z.B. auch das Geschehen eines Vortrags in psychologischer Hinsicht zu verstehen. Schaffen wir das von der Tasse her?

Beziehen wir uns doch auf diesen Vortrag hier:
Es steht eine neue Art des psychologischen Denkens zur Verfügung – so wie der Tee in einer Kanne etwa: Gemeint ist das „Bildanalyische Denken”. Man kann auf verschiedene Weise davon etwas abbekommen: z.B. als Auszubildender in der psychotherapeutischen Weiterbildung beim Psychosozialen Forum. Da kann man sich dieses Denken zu eigen machen. Das Zu-eigen-machen geschieht dann z.B. ganz konkret in den Gruppensitzungen.
Und so wie die Ausbildungsgruppensitzungen so ist auch der Vortrag zum zehnjährigen Bestehen hier eine Form, in die ein bestimmter gedanklicher und haltungsrelevanter Stoff gebracht ist. Dieser Stoff will, dem Gleichnis Tasse folgend, mit einem gewissen Aufschub behandelt werden, um dann, nach einer gewissen Würdigung und je nach Geschmack und Bedürfnis für jeden einzelnen in etwas individuell Verarbeitetes überzugehen. Was aus meinen Ausführungen jetzt zu Ihnen herüberkommt, muß also noch nicht gleich verarbeitet und verstanden werden.

So ein Vortrag (sehen wir ihn von der Tasse her) lebt vielmehr davon, sich gleichsam duftend vor uns hinzustellen. Er enthält etwas, was im wesentlichen noch unübersetzt ist in die Begrifflichkeit jedes einzelnen Zuhörers – und was fürs erste auch noch so bleiben darf – obwohl natürlich am Ende eindeutig die Auflösung steht ins individuelle Verstehen hinein oder in ein Nützlichmachen für die eine oder andere davon abweichende Sache. So ein Vortrag wirkt nach. Und die Auflösung des interessierenden Stoffes, also die Umwandlung in etwas Eigenes, kann auch erst viel später stattfinden.


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