Psychologe auf Bewährung – Zum Problem des Psychologe-Seins im Strafvollzug

Psychologe auf Bewährung – Zum Problem des Psychologe-Seins im Strafvollzug

Gefängnisse sind Orte der Verbannung und als solche eine Erfindung der Kul­tur. Die Kultur antwortet damit auf das Problem der Delinquenz. In älterer Zeit wurden Gefängnisse (Kerker) dazu verwendet, delinquen­te Menschen so lange festzuhalten, bis sie ihre Strafe bekamen. In jüngerer Zeit (seit 200 Jahren etwa) ist die Einsperrung dagegen selbst zum Mittel der Strafe geworden (Freiheitsstrafe). Die Einsperrung bedeutet eine Aussperrung aus der Gesell­schaft. Mit ihr erhofft sie sich Schutz und Sicherheit. Gleichzeitig bein­haltet die Aussperrung aber auch eine Herabsetzung und Ächtung des Delin­quenten. In allerjüngster Zeit ist man nun auch bestrebt, durch geeignete sozial­psychologische Behandlungen eine gesellschaftliche Integration des Delin­quenten herzustellen, und man spricht von einer „Resozialisierung“ und Wiedereingliederung. Dieses Bemühen findet aber, wie der normale Strafvoll­zug ebenfalls, hinter An-staltsmauern statt oder in ähnlich abgeschirmten Wohn­gemeinschaften (Therapieeinrichtungen). Man darf sich fragen, ob unter solchen Be-dingungen, bei denen der normale Lebensalltag so gründlich aus­geschaltet bzw. „kaltgemacht“ wird (Domke, 2001), eine entsprechende Ent­wicklung (Re-sozialisie­rung) überhaupt stattfinden kann.

Aus der Feme betrachtet, verheißen Ge­fängnisse Sicherheit. Aus der Nähe gesehen, erschrecken sie uns zutiefst. „Das ist ja schrecklich!“, ist der Ausruf der meisten Menschen, wenn sie zum ersten Mal ein Gefängnis betreten. Es ist auch schrecklich, wenn man bedenkt, dass Menschen länger darin verwei­len müssen, und das bezieht sich nicht nur auf die Gefangenen, sondern auch auf die Bediensteten, die sich in ihrem Berufsalltag in einer solchen Welt einrichten müssen. Die Inhaftier­ten haben arge Delikte begangen, aber ebenso arg erscheint uns auch die gesellschaftliche Be­handlung dieser Täter: Dass Menschen andere Menschen einsperren und in den elementarsten Lebensäu­ßerungen einschränken, das erschreckt uns.

Bezogen auf unsere ethischen Kulturgüter ist die Realität der Gefängnisse streng genommen eine Peinlichkeit. Wir könnten uns z.B. fragen, warum wir bisher keine anderen Lö­sungen entwickelt haben. Ob unsere „Hochkultur“ hier einen unsubli­mierten Affekt bloßlegt, wenn sie mit Gewalt ihre „Bösewichte“ in einen primitiven Käfig sperrt? Worum geht es denn bei der Einsperrung? Um Strafe, Ra­che, Vergeltung, Umerziehung? Oder nur um ein In-Gewahrsam-neh­men zum Schutz der Gemeinschaft?


Bildquellen

  • GB: Gerhard Böttcher