Struktur und Funktionieren von Psychotherapie – Eine psychologische Analyse

Struktur und Funktionieren von Psychotherapie – Eine psychologische Analyse

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Was muss der Therapeut anderes tun? Hierzu übersetzen wir die Situ-ation wie folgt: Gemeint ist eine Si-tuation, in der der Therapeut gleich-sam die Prinzessin ist und dem Klienten in Analogie zum Märchen eine Anerkennung ausspricht. Die Anerkennung ist dann der bewundernde Blick, der dem Klienten zugeworfen wird und zwar an einer Stelle der Therapie, in der dieser sich endlich getraut hat, rückhaltlos (nackt) in eine Situation hineinzugehen und wirklich dabei auf das zu schauen, was ihm an Überraschendem entgegenkommt. Der anerkennende Blick des Therapeuten sagt also, dass der Klient einen Fortschritt gemacht hat.

Der Klient denkt jetzt vielleicht, dass sein Therapeut sich nur freue, weil er, als Klient, den von ihm empfohlenen Ratschlägen gefolgt ist. Die Bewun-derung, die vom Therapeuten kommt, wäre dann vielmehr die Bewunderung der eigenen therapeutischen Leistung und Intervention, in deren Gewandung es „auch nur“ zu der neuen Erfahrung gekommen ist. Würde der Therapeut jetzt reagieren, wie es der Beschrei-bung von eben folgend der normale Mitmensch tut, so müsste er versuchen, den Klienten vom Gegenteil zu überzeugen. Das wird aber dazu führen, dass der Therapeut wahrschein-lich das bisher Erreichte in zu hohen Tönen darstellt, eben auch im Sinne einer Zweifel beschwichtigen wollenden Beteuerung. Er könnte natürlich auch versuchen, in einer so komplizierten Situation auf die eine oder andere Weise zu flüchten und z.B. das Thema wechseln. Beide Handlungsweisen würden aber zu Recht ein Miss-trauen bei seinem Gegenüber erwecken und, da es sicherlich schon vorhanden ist, es noch weiter verstärken.

Der Psychotherapeut muss also etwas anderes tun: Er muss dem Betreffenden zeigen, dass er, der Klient, es in Wirklichkeit selber ist, der sich in besagter Situation einmal anders „sieht“, und wenn auch nur deshalb, weil ihm gerade mal nicht das vertraute Seelengewand des „Zukurzgekommenen“ zur Verfügung gestanden hat. Er selbst war es, der sich für einen Augenblick wieder mit den Augen des sich Entwickelnden sehen konnte. Das macht ihm das Interesse der Prinzessin erfahrbar. Er hat eine neue Erfahrung gemacht, die sehr intensiv und zu-nächst nur für einen kurzen „Augenblick“ wirkt. Das muss der Therapeut als Mittuender in einer solchen Situation bemerken und „unterstreichen“.

Die Möglichkeit einer solchen Erfah-rung war in der konkreten Art und Wei-se der seelischen Strukturbildung des Klienten enthalten. Jetzt aber wird sie erst richtig sichtbar und konkret aufgreifbar durch das richtige Mitspielen des Therapeuten in der entspre-chenden Situation. Zusammen mit dem Therapeuten also, der an einer solchen Stelle auf die richtige Akzen-tuierung in der Erfahrungsverarbei-tung achtet und nicht z.B. einge-schüchtert flüchtet oder sich in Beteuerungen verliert, erfährt der Klient etwas über die tatsächlich vorhandenen Veränderungsspielräume in seinem Leben, die er bisher nicht oder kaum gesehen hatte.


Bildquellen

  • Höhle: Karin Fischer