Struktur und Funktionieren von Psychotherapie – Eine psychologische Analyse

Struktur und Funktionieren von Psychotherapie – Eine psychologische Analyse

Seite 16

Ermutigung zum Eigenen

Das Funktionieren ist von bildhafter Natur

Zum Schluss möchte ich noch einmal kurz auf den Rahmen zurückkommen, in den ich meine Überlegungen gestellt sehen möchte. Mit meinem Entwurf geht es mir vor allem darum zu zeigen, dass die Psychotherapie ein eigenes Funktionieren, sprich: eine eigene Seele, hat. Trotz der verschiedenen therapeutischen Schulen weist sie eine eigene, inhaltlich-bildliche Konstruktion auf. Das Märchen vom gestiefelten Kater macht auf dieses komplex gestaltete Innere mit seinen verschiedenen Wendungsmöglichkeiten aufmerksam und stellt es wie in einer Karikatur heraus. Es wäre sicher einmal interessant, danach zu schauen, wie sich das gleiche Märchenbild auf die verschiedenen Therapieschulen hin weiter ausdifferenziert.

Das Märchen zeigt uns auf eine exemplarische Weise, dass es gelingen kann, die verschiedenen Varianten einer Psychotherapie in einem „Bild“ zusammen zu bringen. Das beweist, dass es in den verschiedenen Therapieverfahren um etwas Gemeinsames geht, das nicht nur von formaler Art ist: Die Verfahren erweisen sich insgesamt als die Umsetzung eines fassettenreichen, neuen Verständnisses vom Seelischen.

Verfahren, in denen es überwiegend um direkte Zielsetzungen geht, gleichen sich im Wesentlichen auf eine formale Weise. Wenn wir jetzt versuchen würden, genau diese Verfahren, die nämlich das Nebenbild einer Psychotherapie kennzeichnen, in ein Modell zu bringen, wäre das Ergebnis sicherlich ein anderes als das hier Vorgestellte: Es würde seinen Schwerpunkt in der Beschreibung von Wirkfaktoren haben und in ihren Mischungen. Eine Konstruktion dagegen, die ein Hervorgehen des einen aus dem anderen und zwar inhaltlich-bildlich ableitbar macht, würden wir hierbei nicht erhalten.

Ein Blick vom Märchen auf die Profession

Zum Schluss unserer Überlegungen sollte es erlaubt sein, das Gleichnis des Märchens auch auf die Problemgeschichte unserer psychologischen Profession anzuwenden.

Die Psychotherapie verdankt ihre Entwicklung ebenfalls einem anerkennenden neuen Blick: Man traute sich im vorigen Jahrhundert und teilweise auch schon ein wenig davor, dem Seelischen eine eigene Natur und eine Eigengesetzlichkeit zuzubilligen. Und das ist die Analogie zu der erneuernden Erfahrung des Müllersohns durch den Blick der Prinzessin, den wir auch als den eigenen Blick des Müllersohnes auf sich und seine Möglichkeiten gedeutet haben.

Der neue Blick auf die eigene Wissenschaft und Profession lässt die Vorstellung aufkommen, dass es in ihr um etwas anderes geht als nur um ein Stück Fortsetzung der Heilkunde. Und für die weitere Entwicklung der Psychotherapie könnte das Gleichnis des Märchens uns sagen, dass es keinen Sinn macht, sich in zwei Sorten von Aktivitäten aufzuteilen, in denen es auf der einen Seite darum geht, sich schmollend auf die Position einer zu kurz gekommenen „heilkundlichen“ Disziplin zurückzuziehen und auf der anderen Seite darum, nichts unversucht zu lassen, die eigene Sache doch noch auf die medizinische Wissenschaft hin passend zu machen. Der neue Blick, wie ich meine, ermutigt vielmehr, sich auf die Entwicklung einer psychologischen Profession einzulassen.


Bildquellen

  • Höhle: Karin Fischer