Bildanalytisches Denken

Bildanalytisches Denken

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Unser bildanalytisches Denken macht uns auf den Unterschied von zwei grundverschiedenen Haltungen aufmerksam, die beide von uns eingenommen werden können: Die Störungen des Wohlbefindens und Probleme eines Menschen können nämlich
(a) entweder selbst in den Mittelpunkt gestellt und zum ZIEL einer Behandlung erklärt werden, oder
(b) zum ANLAß dafür genommen werden, vorrangig etwas anderes zu tun, nämlich etwas für die Entwicklungsfähigkeit des betroffenen Menschen. Wir wollen die heilkundlich ausgerichtete Psychotherapie jetzt aber nicht etwa als unseriös abwerten. Denn: warum sollte nicht auch mit psychologischen Mitteln – natürlich nur auf Grundlage einer reifen Entscheidung hierzu, auf andere Weise natürlich nicht – eine Störung beseitigt und die Folgen für die Entwicklung einmal auf den zweiten Rang gesetzt werden?

Bei der Gründung des Vereins vor 10 Jahren war der Wunsch ausschlaggebend, einer entwicklungsorientierten Psychotherapie mehr Raum zu geben und die Psychotherapie – wie wir damals sagten – aus der heilkundlichen Umklammerung zu befreien. Unser Engagement begann mit der Entwicklung eines finanziellen Fördermodells für heilkundeunabhängige Psychotherapien. Im nächsten Schritt wollten wir auch etwas dafür tun, daß die entsprechende Haltung, die für ein solches psychotherapeutisches Arbeiten nötig ist, konsequenter als bisher und auf breiterer Ebene gefördert wird. Also bauten wir eine, den eigenen Wertsetzungen entsprechende psychotherapeutische Weiterbildung auf mit einem Curriculum, das sich vom Niveau und Anspruch her im übrigen an den bereits bewährten Standards der tiefenpsychologischen Schulen orientiert. Dabei entdeckten wir, daß Interessenten mit verschiedenem akademischen Grundberufen überraschend gute und vergleichbare Voraussetzungenfür die psyhotherapeutische Weiterbildung mit sich brachten, vor allem, wenn sie in ihrer Studienzeit schon die entsprechenden Schwerpunkte gesetzt hatten (Der Diplompädagoge z.B. hat sich ja häufig während seines ganzen Studiums mit der Entwicklung konkret als auch mit ihr als ein Gleichnis auseinandergesetzt). Berufspolitisch ist es uns – im Unterschied übrigens zu den meisten anderen Lehrinstituten – weniger darum gegangen, für eine heilkundliche Anerkennung der Psychologie zu kämpfen. Wichtiger war es uns vielmehr, auf das umfassendere Ziel eines neuen Denkens innerhalb der Psychotherapie hinzuwirken und auf ein neues Verständnis derselben „jenseits“ einer rein heilkundlichen Ausrichtung. Der Kern der Ausbildung, die wir seit 10 Jahren anbieten, liegt in einer psychotherapeutischen HALTUNG, die wir mit Hilfe eines bestimmten Ausbildungsganges zu entwickeln und zu fördern verstehen. Die Haltung ist also das Entscheidende. Sie trägt das konkrete Tun und Handwerk des „Analytischen Beraters“ oder Psychotherapeuten. Haltungen haben aber die Eigenschaft auch über das hinaus, was ihre Bestimmung im engeren Sinne ist, wirksam werden zu wollen. Und das beschreibt den geschichtlichen Zeitpunkt heute, an dem wir uns befinden. Die bildanalytische Psychologie, die sich bereits in Form einer psychotherapeutischen Haltung bei den Ausgebildeten und teilweise auch schon bei den noch in Ausbildung befindlichen Analytischen Beratern und Psychotherapeuten verkörpert hat, will sich jetzt auch als eine eigene psychologische Betrachtungsweise stärker in der öffentlichen Diskussion bemerkbar machen. Wir wollen uns in Zukunft mehr einmischen. Der heutige Tag ist eine Art Startschuß hierzu.

Für mich ist das Psychosoziale Forum in den letzten 10 Jahren eine wichtige Plattform gewesen, ganz grundlegende Gedanken und Anliegen sowohl in einem anspruchsvollen, lebensnahen Rahmen als auch in der Gemeinschaft vieler nicht nur Interessierter, sondern auch interessanter und liebenwerter Menschen einbringen und erproben zu können. Einen Grund, heute mit Ihnen hier zu feiern, brauche ich also nicht lange erst zu suchen. Ich kann ihn fühlen!

Ich danke Herrn Harald Keller für die künstlerische Ausgestaltung des Vortrags und Ihnen
danke ich für Ihre Aufmerksamkeit


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