Die Psychoanalyse der Zukunft der Psychoanalyse

Die Psychoanalyse der Zukunft der Psychoanalyse

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3. These: Mit frischen Metaphern hat Psychoanalyse Zukunft

Wegen der “Verbildlichung für das Unbekannte” besteht unsere gesamte Theorie in Metaphern, deren Wert darin abgeschätzt werden kann, ob sie uns die professionelle Leistung ermöglichen oder eben nicht. (*12)

Metaphern haben einen ungemeinen Vorzug. Sie sind randunscharf. (*13) Sie sind keine feststellenden Definitionen, sondern darstellende Formen, die die Vorstellung anregen. Wenn jemand sagt, “er fauchte vor Wut”, dann ist es gleichgültig, ob man sich einen Löwen, einen Drachen oder einen Kater vorstellt – man versteht das Szenario. Es erzeugt eine Imagination. Verstehen reicht soweit wie die Vorstellung. Damit wird ein Sender-Empfänger-Modell der Kommunikation, auch der therapeutischen!, verabschiedet werden müssen. (*14) Dies Modell ist in der militärischen Informationstechnologie entstanden, aber es gab schon andere, auf die heute zurückzugreifen sich wieder lohnt.

Ernst Cassirer (1923, S. 225) gibt uns ein neues, ein anderes Verständnis von der Sprache, wenn er sagt, dass ihre Kraft “eben darin liegt, dass sie den Gegensatz des subjektiven und des objektiven Seins nicht als den abstrakten und starren Gegensatz zweier einander ausschließender Gebiete fasst, sondern dass sie ihn in der vielfältigsten Weise dynamisch vermittelt denkt. Sie stellt nicht die beiden Sphären an sich, sondern ihr Inein-andergreifen und ihre wechselseitige Bestimmung dar – sie erschafft gleich-sam ein Mittelreich, durch welches die Form des Daseins auf die des Tuns, die Formen des Tuns auf die des Daseins bezogen und beide miteinander zu einer geistigen Auseinandersetzung verschmolzen werden”.
Metaphorisches, bildhaftes Reden ist eines jener Mittel, mit dessen Hilfe die Sprache etwas repräsentiert, was jenseits von ihr liegt. Dies zu vernehmen ist insofern vernünftig, als Vernunft etymologisch von Vernehmen kommt. Deshalb meinte Gadamer einmal, für ein gutes Gespräch komme es nicht so sehr darauf an, was einer sagt, sondern darauf, dass einer hört. Im therapeutischen Dialog kommt es darauf an, das “Träumen der Worte” zu vernehmen.

Metaphern können deshalb nicht übersetzt werden. Nehmen wir das berühmte Beispiel von Quintillian: pratum ridet – die Wiese lacht. Wie wollte man das in eine nicht-metaphorische Redeweise übersetzen? Es geht nicht ohne Inkaufnahme erheblicher Infor-mationsverluste. Wer es wörtlich verstehen wollte, würde damit nur anzeigen, dass ihm der Sinn für die Metapher fehlt. Er würde behaupten, lachende Wiesen gibt es nicht und basta! Wenden wir uns von einem solchen kruden Empirismus ab. Die Metapher weist stets über sich hinaus auf etwas, das sie nur andeuten kann. Sie ermöglicht eine therapeutische Sprachkunst, die dem Prinzip folgt: je geringer die Andeutung, desto größer die Bedeutung und umso lohnender die Deutung.

Die Metapher hat allerdings auch einen großen Nachteil: Sie formt die Welt nach ihrem Bilde. Freud hat seelische Konflikte in militärischen Metaphern beschrieben, er sprach von “Abwehr”, “Besetzung” und “Widerstand”, wir reden heute häufig von “Inter-ventionsplanung” und erzeugen damit ein Guerilla-Modell der therapeutischen Interaktion: schnell rein (neutral und abstinent) in den Dschungel schwieriger Beziehungen und ebenso schnell sich wieder zurückziehen. Was, so fragen Cox und Theilgaard (1987) zu Recht, wäre anders, wenn wir das Seelenleben in Begriffen der Musik, der Dissonanz und des Kontrapunktes, der Harmonie und der thematischen Verarbeitung beschreiben würden? Die Psychoanalyse kann musikalische Werke interpretieren (Leikert 1996), aber sie könnte es sich auch gefallen lassen, selbst musi-kalisiert zu werden. Dann würden Metaphern wie Stimmung, Worte wie Einschwingen, seelischer Gleichklang, Rhythmus, Takt oder auch Sphärenmusik ein produktives Gegengewicht zur Vorherrschaft unserer verräumlichenden Augenbilder schaffen. Wir würden Sinn für den interaktiven Tanz der Beteiligten entwickeln oder für den Ton, den einer anschlägt, und manch-mal würden wir gar das Mitbrummen von unsichtbaren Dirigenten zu hören bekommen.


Bildquellen

  • Psychoanalyse auf der Couch: Harald Keller